27.06.2015
Rede am Mahnmal anlässlich des Schützenfestes des Bürger- und Junggesellenschützenvereins Coesfeld
Sehr geehrte Damen und
Herren,
verehrte Schützenbrüder und Schützenchwestern
im
Bürger- und Junggesellenschützenverein
Coesfeld!
Wir gedenken hier und heute im
Rahmen der Tradition unseres Schützenvereins, unseres Bürger- und
Junggesellen-Schützenvereins der Opfer, der gefallenen Soldaten und aller
Menschen, die auf Grund von Kriegen, Verfolgung, Diskriminierung und falschen
Verurteilungen den Tod gefunden haben.
Hier in Deutschland gedenken
wir in diesem Zusammenhang vorrangig der grausamen Wirkung des
Nationalsozialismus, des Antisemitismus
im zweiten Weltkrieg. Es gibt immer noch
tiefe Wunden und Narben in den Erinnerungen der Völker der Welt. Dem wollen wir
uns im Rahmen der Erinnerungskultur auch heute noch stellen.
Wir fragen uns:
Können wir als Gemeinschaft
von Bürgerinnen und Bürgern und im Rahmen unserer Erinnerungskultur mit dazu
beitragen, dass so etwas – in Deutschland und in der Welt – nie wieder passiert,
dass nie wieder der Hass auf Minderheiten eine ganze Welt der Zerstörung preis
gibt?
Beim Blick auf die heutige
Welt müssen wir uns auch darüber bewusst sein, dass noch nicht genug aus den
Fehlern der Vergangenheit gelernt wurde.
Auch in der Gegenwart werden
die Krisen- und Kriegsgebiete der Welt immer größer, greift der Totalitarismus,
der menschenverachtende Fundamentalismus immer mehr um sich, scheint die
Brutalität von Menschen gegen Menschen unbegrenzt zu sein. In der Wirkung
bringt es Tod und Verwüstung, Leid und bittere Armut, löst existenzielle Ängste
und Migration, Flucht aus der angestammten Heimat aus.
Derzeit befinden sich weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf
der Flucht vor diesen grausamen Ereignissen, vor Krieg, Gewalt und in der Folge
vor der Armut. Diese Zahl ist die höchste Zahl, die jemals vom
UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) verzeichnet wurde.
Und diese Zahl wächst weiter. Jeden Tag machen sich durchschnittlich
42.500 Menschen – mehr als Coesfeld Einwohner hat - auf den Weg, auf der Suche
nach Frieden, nach Sicherheit und nach einem neuen Leben. So die Feststellung des
UNHCR.
Die meisten Menschen flüchten
in die jeweiligen Nachbarländer, obwohl dort die Armut vielfach nicht weniger
groß ist.
Viele wollen aber auch nach
Europa, nach Deutschland. Die aktuellen Zahlen prognostizieren uns weiterhin
eine hohe Zuwachsrate an Flüchtlingen. Es handelt sich hauptsächlich um
Menschen aus den Balkanländern und aus Syrien.
Erwartet werden bei uns in
Deutschland für dieses Jahr 400-450.000 Asyl- Anträge
von Menschen, die auf Grund widriger Umstände und in Angst vor Krieg, Terror
und Armut den Weg nach Deutschland einschlagen werden.
In NRW gilt eine Zuweisungsquote
von 21 % (Königsteiner Schlüssel) , die dann
nach einer landesweiten Verteilquote (Mischquote
aus Einwohnerzahl und Fläche) auf die einzelnen Kommunen umgerechnet
wird.
Wir erwarten in Coesfeld in
diesem Jahr eine Steigerung der Zahl der
Flüchtlinge von aktuell 191 Menschen, die wir
betreuen, auf etwa 350 Menschen. Wir brauchen zeitnah immer noch Raum für ca.
100 Personen.
Als Bürgermeister der Stadt
bin ich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Menschen menschenwürdig
untergebracht und versorgt werden. In der Zusammenarbeit mit der
Flüchtlingsinitiative und vielen ehrenamtlichen Organisationen sind wir seitens
der Verwaltung dabei, zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.Hierbei treffen wir nicht (immer)
auf Zustimmung schon gar nicht auf Begeisterung. Das ist auch durchaus
verständlich, es kommen Fremde, Menschen mit anderen Sitten und Gebräuchen, mit
einer fremden Sprache, mit einer unbekannten Kultur.
Deshalb möchte ich heute und
zu diesem Anlass an alle Menschen in Coesfeld appellieren, diese uns fremden Menschen
mit dem Respekt vor ihrer Würde als Menschen zu begegnen. Flüchtlinge sind
Opfer von Katastrophen und Verfolgungen in ihrem Land; vertrieben aus ihrem
Heimatland, aus ihrer gewohnten
Umgebung.
Menschen flüchten nicht ohne
Grund aus ihrer Heimat, lassen nicht einfach Nachbarn, Freunde und v.a.
Verwandte zurück. Sie sind darüber hinaus auf der Flucht aus ihrem Heimatland
oft vielen Gefahren ausgesetzt.
Natürlich kann nicht jeder, der zu uns kommt hier
auch bleiben. Im Grundgesetz ist geregelt, dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen .Danach liegt politische Verfolgung vor, wenn dem
Einzelnen durch den Staat gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die etwa
durch seine Religion oder politische Überzeugung begründet sind und ihn in
seiner Menschenwürde verletzen.
Opfer von allgemeinen Notsituationen, etwa von Armut, Bürgerkriegen,
Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit haben kein Recht auf Asyl. Darüber
entscheidet letztendlich das Bundesamt für Migration. Eine Entscheidung, eine Bewertung darüber steht uns letztlich
nicht zu und liegt in der Regel mangels Information außerhalb unserer
Beurteilungsmöglichkeit.
Uns steht es zu, den Menschen,
die hier Zuflucht vor Krieg und Gewalt suchen, respektvoll zu begegnen,
· amit sie hier gerade keine Angst vor Gewalt, keine Angst
vor Diskriminierung haben müssen,
· damit sie sich während ihres Hierseins – ob kurzfristig oder für immer – sicher und aufgenommen fühlen,
·
damit sie bei uns mit ihren
unterschiedlichen kulturellen Hintergründen
und Traditionen Toleranz und Verständnis erleben, weil wir ihnen mit
Gastfreundschaft begegnen.
Nur so findet es einen aktuellen Sinn, dass wir im Rahmen der Tradition unseres Schützenvereins, unseres Bürger- und Junggesellen-Schützenvereins der Opfer, der Soldaten und aller Menschen, die auf Grund von Kriegen, Verfolgung, Diskriminierung und falschen Verurteilungen den Tod gefunden haben, diese Gedenkveranstaltung begehen.
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